(Blog) Singen ist gesund: Über das Immunglobulin im Speichel stärkt es das Immunsystem, drosselt Stresshormone wie Adrenalin und Kortisol und erzeugt Glückshormone, die Endorphine. Vor allem dann, wenn man gemeinsam singt. Im Chor zum Beispiel. Neben der Tatsache, dass es ganz einfach Spaß macht, ist Singen auch eine hervorragende Übung, die Wirkung der Vorstellungskraft auf körperliche Funktionen zu testen.
Seit einiger Zeit nehme ich Gesangsunterricht bei Melina, einer entzückenden und begabten Musikstudentin. Denn in meinem Chor steht die „Carmina Burana“ von Carl Orff auf dem Programm, ein Werk, dass ich heiß und innig liebe – aber dem ich aufgrund meines eher begrenzten Gesangstalents nicht recht gewachsen bin. Melina sollte es richten.
Zwischen den Stühlen
Zunächst muss ich die hohen Töne üben. Ich singe Sopran, weil das meist die melodieführende Stimme ist und ich schlicht nichts anderes kann. Das Dumme ist nur, dass sich der Sopran durch hohe Töne auszeichnet. Der zweite Sopran ist auch nicht die optimale Lösung, weil man da knapp unter dem ersten Sopran und ebenso knapp über der ersten Altstimme singen muss. Also quasi zwischen allen Stühlen sitzt. Und hoch sind die Töne immer noch …
Also Tonleitern üben, hoch und runter. Ab dem hohen E wackelt’s schon. Melina ist ja sehr geduldig, aber an einem Samstag stoppt sie die Klavierbegleitung und fragt: „Bettina, weißt Du eigentlich, wie Deine Stimmbänder aufgehängt sind?“ Ähm. Na ja. Irgendwie senkrecht, oder? Kleines Lächeln. „Nein, eben nicht.“ Es folgt eine kleine Lehrstunde in Physiologie. „Die Stimmbänder sind fast waagrecht aufgehängt“, erklärt Melina. „Je mehr Du sie dehnst, desto höher werden die Töne. Und was bedeutet das nun?“ Immer diese didaktischen Fragen … Völlige Ahnungslosigkeit meinerseits. „Du darfst also nicht nach oben denken, wenn Du hohe Töne singst, sondern nach hinten! Gleichzeitig fixierst Du vorne diesen Punkt an der Wand und dehnst die Stimmbänder schon in Gedanken.“
Trau‘ Dich!
Sag‘ noch einer, Singen sei einfach. Es ist das reinste Konzentrationsspiel. Also: Ich denke nach hinten, schaue gleichzeitig nach vorne und singe ein astreines E. Das ist der Plan.
Melina fängt ein bisschen weiter unten an, aber wir sind schneller in den hohen Lagen, als mir lieb ist. „Du schaffst das!“, feuert sie mich an, „trau‘ Dich, Du kannst das! Angriff!!!“ – und ich singe und singe und: „Siehst Du, Du kannst es!“ Melina schaut mich geradezu triumphierend an. „Das war eben schon das hohe G.“
Echt jetzt? Ich schaue sie ungläubig an. Ich habe selbst gehört, dass ich ziemlich hoch gekommen bin, dazu noch mit einer passablen Stimme. Ich bin total verblüfft. Ein wahrhaftiges Schlüsselerlebnis.
Kraft der Gedanken
Die Daoisten sagen es. Die Yogis sagen es. Sportwissenschaftler sagen es. Motivationstrainer sagen es. Die Quantenphysiker sagen es.
„Verändere die Art und Weise, wie du die Dinge siehst, und die Dinge, die du siehst, werden sich verändern.“
Und nicht nur im Reich der Gedanken – sondern manchmal ganz handfest. Bei meinen von einer bestimmten Vorstellung begleiteten Gesangsbemühungen ist physisch etwas passiert, was zwar nicht zu sehen, aber sehr deutlich zu hören war.
Unser Denken, unsere Haltung prägt unser Leben entscheidend. Auch und besonders dann, wenn wir krank sind und gesund werden wollen. Wege zur Gesundheit gibt es so viele, wie es Patienten gibt. Aber eines dürfen wir alle niemals unterschätzen: die verändernde Kraft unserer Gedanken.