Gastartikel im „Compassioner“ vom 13. Mai 2017
Der beherzte Patient – mutig den eigenen Weg gehen
Mutig den eigenen Weg gehen – besonders im Fall einer schweren, unvorhersehbaren Krankheit ist das meist alleine kaum machbar. Aber du bist nicht alleine. Es gibt soviel Hilfe rundherum. In erster Linie kommt es allerdings auf dich und deine Einstellung zur Krankheit an. Wie du dich deinem Schicksal mutig anvertrauen kannst und wie du durch deine eigene Kraft zu Heilung und Hilfe finden kannst, darüber schreibt dir Bettina Kübler in ihrem Gastartikel.
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Was, wenn Krankheit nicht Fluch, sondern Segen wäre? Vielleicht bist du selbst krank oder jemand deiner Lieben, und ich möchte dich einladen, mit mir dieser Frage einmal nachzugehen …
Was also, wenn du in deiner Krankheit einen Anlass sähest, dein Leben beherzt in die Hand zu nehmen, engagiert zu deiner Gesundheit beizutragen und auf diesem Weg deinem Leben eine neue, erfülltere, glücklichere Ausrichtung zu geben?
Diese Fragen habe ich mir im August 2010 gestellt, nachdem ich erfahren hatte, an fortgeschrittenem Brustkrebs erkrankt zu sein. Und ich habe sie mir im Januar 2014 nochmals gestellt, als Metastasen in Bauchfell und Eierstöcken diagnostiziert wurden.
Vorneweg: Es geht mir großartig. Ich stehe meine Frau als Redakteurin, kümmere mich um meine Familie, unterrichte Qigong – und habe im Juli 2015 das Buch, den „Beherzten Patienten“ zur Welt gebracht. Es ist ein Projekt mit einem Büchlein, einer Homepage, einer Gemeinschaftsseite auf Facebook, einem Twitter-Account, Vorträgen und Öffentlichkeitsarbeit. Denn ich möchte unbedingt teilen, was ich lernen, was ich erfahren durfte, und warum ich pessimistischen Prognosen zum Trotz nicht nur noch irgendwie am Leben bin, sondern glücklich mitten im Leben stehe.
Ein bisschen Wunder, ein bisschen Geschenk ist dabei, keine Frage. Aber ich denke, ich habe auch selbst viel zu dieser Situation beitragen können. Ende letzten Jahres dann entdeckte ich eine große Schnittstelle mit Andrea und Veit Lindau und dem humantrust. Ich hütete mit einer Erkältungsgrippe das Bett und daddelte auf Facebook herum. Da stolperte ich über ein Vortragsvideo von Veit zum Thema Erfolg, das ich mir fasziniert anschaute. Wenn ich den Begriff „Erfolg“ einmal in „Heilungs-Erfolg“ ummünze, dann gehen der humantrust und der beherzte Patient Hand in Hand.
Sieben Schritte zum Erfolg
Veit nannte sieben Schritte zum Erfolg – die ich nun als beherzte Patientin einmal tue.
- Steh‘ morgens auf wie ein Krieger oder eine Kriegerin. Die sich fragt: Wofür brenne ich? Und die sich – nach der Lehre von Don Juan Matus – den Tod auf die linke Schulter setzt, um sich zu vergegenwärtigen, dass jeder Tag wichtig ist. Das ist Veits erster Schritt. Nun, als Patientin, zumal als Krebspatientin, kann ich mir das schon mal sparen – der Tod sitzt nämlich schon auf meiner Schulter. Wie praktisch. Meine regelmäßigen Kontrollen mit mal besseren, mal nicht so tollen Werten erinnern mich jeden Tag daran, ich zu sein und mein Licht in die Welt zu bringen. Als Bettina, Mama, Ehefrau, Freundin, Kollegin, Chorsängerin, beherzte Patientin … Und es kommt so viel zurück!
- Sei ehrlich. Oh ja. Eine wundervolle Ärztin schenkte mir den Satz: „Es ist, wie es ist, und es ist gut so.“ Wie, es soll gut sein, Krebs zu haben?“ Na ja, immer kann ich das nicht so sehen, aber meistens. Der Holocaust-Überlebende Neurologe Viktor Frankl wusste: Wenn du deinem Leid einen Sinn geben kannst, bist du in der Lage, schier übermenschliche Kräfte zu entwickeln, um die dir gestellte Aufgabe zu bewältigen. Es geht nicht um das Warum, es geht um das Wozu. Das ist eine Ausrichtung, die mir immer wieder hilft.
- Deine Gedanken erschaffen Dinge. Das wussten vor vielen tausend Jahren zum Beispiel schon die Daoisten. Nach dieser Philosophie erschaffen wir mit unseren Gedanken die Welt. Kennst du das Buch „Das Tao der Physik“, in dem Fritjof Capra den Daoismus mit der modernen Quantenphysik in Beziehung setzt und dabei zahlreiche Nobelpreisträger der Physik zitiert? Hast du vom Mosely-Experiment gehört, in dem zwei Gruppen von Patienten am Knie operiert wurden – die eine tatsächlich, die andere zum Schein, und es kaum Unterschiede im subjektiven Behandlungserfolg gab? Hast du schon mal etwas von Harvard-Professorin Ellen Langer und ihrer Psychologie der Möglichkeiten gehört? Das ist ein ganz weites und hoch spannendes Feld …
- Mach‘ es konkret, sagt Veit. Stimmt. Immer nur über das Immunsystem stimulierende Praktiken wie Qigong oder Meditation nachzudenken, reicht nicht. Wir sollten es tun!
- Sei ein Eros der Schöpfung! Veit geht weiter und schlägt vor, täglich fünf Dinge für unsere Ziele in die Tat umzusetzen. Was könnte das für dich als Patient heißen? Ich schlage vor: Denke positiv. Ernähre dich gesund. Bewege dich nach deinen Möglichkeiten. Erlerne bzw. praktiziere eine Entspannungstechnik. Schau, wer dich auf deinem individuellen Weg der Gesundung unterstützen kann.
- Dazu passt Veits sechster Schritt: Stärke dich! Du brauchst die großen Herausforderungen des Lebens, zu denen schwere Krankheiten gehören, nicht alleine zu bewältigen! Bitte um Hilfe, dann sei wachsam, schau‘ dich um, öffne dein Herz – und die Hilfe wird kommen. Das habe ich jedenfalls so erfahren. Magisch!
- Feiere! Unbedingt. Wer sagt eigentlich, dass ich mich als (Krebs-)Patientin verbittert und gramgebeugt durchs Leben schleppen muss? In der Tat lesen sich viele Presseartikel genau so, und – hast du schon mal einen Film über Krebs mit einem happy end gesehen? Ich nicht! Machen wir es anders – glauben wir an unser persönliches happy end, und feiern wir das Leben auf dem Weg dorthin. Denn ein „end“ gibt es immer, für uns alle. Aber wann das sein wird, weiß niemand.
Damit du mich richtig verstehst: Ich möchte eine schwere Krankheit weder verharmlosen noch schönreden (Schritt 2: Sei ehrlich!). Ich wehre mich nur gegen Schwarzmalerei und Angstmacherei. Da bin ich ganz Kriegerin (wenn auch eine friedvolle) und beherzte Patientin.
Wenn du krank bist, möchte ich dir Mut machen, beherzt und in Eigenverantwortung deinen eigenen Weg gehen zu können.
Höre auf dein Herz
Auf dein Herz zu hören und nicht in erster Linie auf Ärzte, Journalisten, Filmautoren. Sie dürfen alle gerne helfen, aber die Richtung gibst du vor.
Meine Krankheit hat mich wachsen und gedeihen lassen und mir ein erfüllteres, glücklicheres Leben geschenkt. Insofern war sie ein bisschen Fluch, aber noch viel mehr Segen für mich. Deshalb möchte ich dich einladen, auch und gerade gesundheitliche Krisen als echte Chance zu sehen. Es lohnt sich.
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Links:
Zum Buch „Der beherzte Patient“:
Es ist unter der ISBN 978-3-7431-8154-0 auch in jeder örtlichen Buchhandlung bestellbar