Fluch, Unabänderlichkeit – oder Segen?
Um deutlich zu machen, wie sich die Sicht auf Krankheit und Gesundung auswirken kann, möchte ich ein bisschen aus meiner Geschichte erzählen. Trotz jahrelanger engmaschiger Kontrollen im August 2010 der Schock: Brustkrebs. Große lobuläre Karzinome beidseits, massenhaft befallene Lymphknoten. Beide Brüste wurden mir abgenommen. Januar 2014: Metastasen in beiden Eierstöcken, Bauchfellkarzinose. „Palliativbehandlung“ zur Aufrechterhaltung der Lebensqualität, limitierte Lebenszeit (ist nicht jedes Leben limitiert?).
Aufgrund meiner eigenen Art der Erkrankung beziehe ich mich in vielem, was ich schreibe, auf (Brust-)Krebs. Allerdings halte ich es mit den alten Ayurveden: Denen ist es grundsätzlich ziemlich egal, welche Krankheit man hat. Was zählt, ist, DASS man krank ist. Wobei das natürlich auch wieder Definitionssache ist: Wer ist total krank, wer völlig gesund? In der Traditionellen Chinesischen Medizin gibt es weder das eine in Reinform, noch das andere. Es gilt, die kranken Anteile in Schach zu halten und die gesunden zu stärken.
Beides versuche ich. Und wissen Sie was? Mir geht’s gut. Meistens. Also sagen wir: neunzig Prozent meiner Lebenszeit, wobei sich die wirklich miesen Momente um die Diagnosen herum gruppieren. Auch auf die Kontrollen könnte ich getrost verzichten. Aber sie müssen nun einmal sein. Ich möchte mir nicht einmal vorwerfen, sterben zu müssen, weil ich mit den Kontrollterminen geschlampt habe.
Vom Opfer zur Heldin
Im Sommer 2010 fühlte ich mich, als würde ich über einem Abgrund hängen und gleich abstürzen. Es war wirklich furchtbar. Drei Monate hat dieser Zustand gedauert. In diesen Monaten hatte ich eine unglaublich Unterstützung: von meiner Familie, meinen Freunden, Ärzten, Therapeuten. Aber es hat Zeit gebraucht, bis diese Saat aufging, drei Monate eben. Dann gelang es mir, den Schalter umzulegen. Schluss mit der Todesangst, der Ablehnung der Realität, dem Gefühl, Opfer einer himmelschreienden Ungerechtigkeit zu sein. Stattdessen lautete mein Mantra: Es ist, wie es ist, und es ist gut so.
Auf wundersame Weise machte mir die harte Chemo plötzlich kaum noch etwas aus. Durch die Bestrahlung bin ich lachend und ohne nennenswerte Verbrennungen gesegelt. Auch meinen Rückfall habe ich nach einigen Wochen emotional wieder in den Griff bekommen. Denn ich habe in diesem fiesen Theaterstück die Rollen gewechselt: Raus aus der marionettenartigen Opferrolle, rein in die Rolle der Heldin, die ihr Leben in die Hand nimmt und es sich keinesfalls vermiesen lässt, nicht von dieser heimtückischen, feigen Krankheit Krebs. Wer weiß schon, wie lange wir leben? Eine meiner Freundinnen, rundum gesund, ist inzwischen bei einem tragischen Unfall gestorben. Wer weiß schon, was morgen ist? Und bis dahin lebe ich!
Krankheit ist auch ein Motor
Ich bin zu der Erkenntnis gelangt: Ich habe es auch in der Hand. Mein Leben, meine Krankheit, meine Heilung. Ich kann viel für meine Gesundung tun. Gleichzeitig ist da irgendwer, irgendwas, was viel mächtiger ist als ich, nennen wir es Gott, nennen wir es das Universum oder Allah, es gibt viele Namen für das Eine. Und das habe ich nicht unter Kontrolle, ich brauche es gar nicht erst zu probieren. Das entlastet. Andererseits habe ich durchaus Einfluss auf mein körperliches und seelisches Wohlbefinden – und das macht stark. Das Leben ist nun einmal so widersprüchlich.
Entscheidend ist: Dieses Eine will, dass ich lebe und glücklich bin. Aber es will auch gehört und verstanden werden. Die alten Inder sagen, Krankheit ist die Sprache der Seele, die sich anders kein Gehör verschaffen kann. Das passt auf mich. Denn ich bin als Journalistin, Hausfrau und Mutter nur gerannt, habe mich ständig überfordert. Da hört man Kindergeschrei und Anordnungen von Vorgesetzten, Autoverkehr und Radiolärm – aber leider nicht die Seele. Ich wusste, das muss anders werden. Ich habe gelernt, Krankheit als Chance zu Veränderung zu sehen. Als Motor.
Und es ist anders geworden. Ich habe vieles in meinem Leben verändert – Ernährung, Bewegung, Lebensort, Arbeitspensum, Stressverarbeitung, meine persönliche Lebensphilosophie … Und ich – eine „Palliativpatientin“ (vergessen Sie bitte die Schubladen, in die man Sie steckt) – bin fitter und glücklicher als je zuvor. Vielleicht ist der Krebs ja gar kein fieser feiger Feind. Sondern ein Freund. Manchmal kann ich das tatsächlich so sehen.
Probleme bringen Geschenke
Richard Bach, der Autor der „Möwe Jonathan“, schreibt in seinem Buch „Illusions“ (frei aus dem Englischen übersetzt): „Es gibt kein Problem, das nicht gleichzeitig ein Geschenk für dich ist. Du suchst Probleme, weil du ihre Geschenke brauchst.“ Und geschenkt bekam ich irrsinnig viel, vor allem Liebe in einer Intensität, wie ich sie nicht für möglich gehalten hätte. Und die Kraft, aus meinem Hamsterrad auszusteigen und ein neues, gesünderes und erfüllteres Leben zu beginnen.
Unsere Einstellung zum Leben, zur Krankheit spielt eine riesengroße Rolle im Gesundungsprozess. Der amerikanische Radiologe Carl Simonton beobachtete schon vor vielen Jahren, dass die Strahlentherapie bei optimistischen Patienten wesentlich besser anschlug als bei eher pessimistischen. Und er entwickelte das Simonton-Training, dem die Überzeugung zugrunde liegt, dass wir mit unserer Vorstellungskraft unsere Heilung unterstützen können. Wie lautete der erste Satz einer geschätzten Ärztin und Psychotherapeutin, als ich kurz nach der Erstdiagnose verzweifelt vor ihr saß? „Die Heilung, Frau Kübler, beginnt im Kopf.“
Haben Sie gewusst, dass Sportler ihre Muskeln mit mentalem Training fast genauso gut aufbauen können wie mit tatsächlichem, körperlichem Training? Wir unterschätzen die (heilende) Kraft unserer Gedanken erheblich – Zeit zur Umkehr! Und meine zweite „Runde“ hat mich gelehrt: Der innere Arzt sitzt im Herzen. Wir müssen fühlen, was gut für uns ist – und loslassen, was uns nicht gut tut.
Wir können etwas tun!
„In der Krise liegt die Chance“ – zu dieser Aussage brauchen die Chinesen nur ein Schriftzeichen, das beides bedeuten kann. Finden Sie Ihre Chance in Ihrer Krise. Nehmen Sie Ihr Leben in die Hand! Es ist ein Geschenk und unendlich wertvoll, wie lange es auch dauern mag. Bei einer Krebs-Erkrankung mögen Operation, Chemo- und Antihormontherapie sowie die Strahlentherapie unverzichtbar sein. Doch sie attackieren „nur“ den Tumor. Das reicht meiner Auffassung nach nicht. Krebs ist eine komplexe Erkrankung und bedarf einer komplexen Behandlung, die Körper, Geist und Seele mit einbezieht. Stellen Sie sich Ihr Helfer-Team zusammen – von guten Freunden über kompetente Gynäkologen, Onkologen und Radiologen, Psychotherapeuten und Komplementärmedizinern bis hin zum Bio-Gemüsehändler Ihres Vertrauens.
Öffnen Sie sich, schauen Sie voller Hoffnung, Neugier und Lebensmut in die Welt. Schon das allein kann Ihre Lebenszeit nicht nur verschönern, sondern auch verlängern. Und Sie werden sehen, dass Ihnen Bücher in die Hand fallen und Menschen über den Weg laufen, die Ihnen helfen können. Vielleicht finden Sie Ihren persönlichen Kraftort an einem See, im Wald oder auf einer Parkbank, Sie stolpern über einen Yogakurs, der Ihnen gut tut, oder finden „zufällig“ ein Visitenkärtchen eines hervorragenden Akupunkteurs. Das Leben ist voller Wunder. An Zufälle glaube ich schon lange nicht mehr. Wir müssen bloß unsere Antennen ausfahren – es ist alles da. Wir müssen nur lernen, es auch wahrzunehmen.
Schließlich: Prüfen Sie Ihre Prioritäten. Was ist Ihnen wirklich wichtig im Leben? Schauen Sie, was Sie in diesem Leben verändern können, um gesund zu werden – oder mit Ihrer Krankheit ein erfülltes, schönes Leben zu führen. Albert Schweizer hat einmal auf die Frage „Wer bin ich?“ geantwortet: „Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Leben, das leben will.“ Mit oder ohne Krankheit. Es ist eine Reise, die unglaublich spannend und bereichernd sein kann.
In drei Tagen durchs Jammertal
Ja, es gibt auch Rückschläge. Momente, in denen ich nur traurig und wütend bin. Mutlos. Verzweifelt. Eines meiner Vorbilder (ja, es ist sehr hilfreich, sich eines zu suchen) ist die wunderbare amerikanische Bestseller-Autorin Kris Carr, die seit zwölf Jahren mit einer seltenen, schulmedizinisch nicht behandelbaren Krebserkrankung in Stadium IV (!) lebt. Drei Tage, sagt sie, gebe sie sich für den Weg durch ein solches Jammertal. Aber dann ist Schluss: Dann wird sich hübsch gemacht und in die Welt hinausgegangen – um zu leben und zu lernen (mehr dazu im dritten Kapitel).
Wieder und wieder möchte ich Sie dazu ermuntern, Dinge auszuprobieren, herauszufinden, was Ihnen guttut und in Ihrer Situation helfen könnte. Machen Sie sich auf Ihren Weg – zu mehr Gesundheit, zu mehr Lebensglück. Denn das ist wirklich in jeder Minute unseres Lebens möglich – bis zur allerletzten.
Liebe Bettina, jetzt sitze ich nachdem ich dir vorhin kurz geschrieben habe,mitten in der Nacht hier und genieße deine Webseite, einfach wunderbar. Von Beruf bin ich Krankenschwester und seit 40 Jahren leiste ich bei Ärzten Überzeugungsarbeit, dass die sogenannte Alternativmedizin kein Konkurrent, sondern ein wichtiger Helfer und Unterstützer für den Menschen ist. So ganz langsam habe ich das Gefühl, dass das Konkurrenzgefühl bei unseren Schulmedizinern nachlässt und die Offenheit wächst. Dein Blog bestätigt mir dies auch. Ich hoffe viele Menschen lernen deine Webseite kennen und damit ihre Chance auf ein erfülltes Leben auch mit einer „Krankheit“, das Wort mag ich gar nicht so gerne, ein Lebensabschnittsbegleiter trifft es besser. Er darf ja wieder gehen.
herzliche Grüße und einen schönen Sonn(en)tag morgen
Claudia